Frage Nr.: 1730
Ich frage den Magistrat:
Wie gewährleistet der Magistrat die politische Unabhängigkeit der Überprüfung der Zulässigkeit des "Mietentscheides", wenn diese durch das Rechtsamt der Stadt Frankfurt am Main vorgenommen wird, das de facto nicht politisch unabhängig sein kann, da es direkt dem Dezernat VIII unterstellt ist, und so nicht frei von der potenziellen Einflussnahme politischer Interessen ist?
Frage vom 21.02.2019, F 1730
Die Initiatoren des sogenannten Frankfurter "Mietentscheids" haben das nötige Quorum an Unterschriften für einen Bürgerentscheid erreicht. Nun liegt das Bürgerbegehren beim Magistrat und wird auf seine Zulässigkeit geprüft. Diese Prüfung obliegt dem Magistrat.
Ich frage den Magistrat:
Wie gewährleistet der Magistrat die politische Unabhängigkeit der Überprüfung der Zulässigkeit des "Mietentscheides", wenn diese durch das Rechtsamt der Stadt Frankfurt am Main vorgenommen wird, das de facto nicht politisch unabhängig sein kann, da es direkt dem Dezernat VIII unterstellt ist, und so nicht frei von der potenziellen Einflussnahme politischer Interessen ist?
Antragstellende Person(en):
Stadtv. Nico Wehnemann
Die Frage wird am 28.02.2019 von Prof. Dr. Daniela Birkenfeld wie folgt beantwortet:
Gemäß § 8 b Abs. 4 S. 2 Hessische Gemeindeordnung (HGO) entscheidet die Stadtverordnetenversammlung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens. Gem. § 66 Abs. 1 Nr. 2 HGO hat der Magistrat diesen Beschluss vorzubereiten. Dabei hat der Magistrat der Stadtverordnetenversammlung auch eine Einschätzung zur Zulässigkeit eines solchen Bürgerbegehrens vorzulegen
Bei der inhaltlichen Prüfung der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens ist der Magistrat und alle ihm unterstellten Fachämter wie in allen Fällen des Verwaltungshandelns gem. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) an Gesetz und Recht gebunden. Die Beamten der Stadtverwaltung haben gem. § 33 Abs. 1 S. 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und tragen gem. § 36 Absatz 1 BeamtStG für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung. Die städtischen Beamten haben die Pflicht, gegen dienstliche Anordnungen ihrer Vorgesetzten zu remonstrieren, wenn sie rechtliche Bedenken haben. Ein Verstoß gegen diese Pflichten stellt ein Dienstvergehen dar, das disziplinarrechtliche Konsequenzen für die betreffenden Bediensteten (Dezernate, Amtsleiter, zuständige Mitarbeiter) zur Folge hätte. Entsprechendes gilt für die Tarifbeschäftigten.
Dies gewährleistet bei allen Verwaltungsangelegenheiten eine neutrale, sachliche und ordnungsgemäße Prüfung aller Fach- und Rechtsfragen durch den Magistrat.
Eine „neutralere“ Stellungnahme zu Rechtsfragen als die des Rechtsamtes wird es daher nicht geben können, insbesondere auch nicht durch die Beauftragung von Rechtsanwälten o. ä. Neben der rechtsberatenden Tätigkeit ist die wichtigste Auf-gabe des Rechtsamtes, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns sicherzustellen und mögliche rechtliche Risiken für die Stadt zu vermeiden bzw. zu minimieren. Die neutrale und gerade nicht bei den einzelnen Fachämtern angesiedelte übergeordnete Prüfung von Rechtsfragen ist die in der der Allgemeinen Geschäftsanweisung (AGA) ausdrücklich festgeschriebene Aufgabe des Rechtsamtes. Eine inhaltliche Weisung an das Rechtsamt in Rechtsfragen hat es noch nicht gegeben und wird es auch nicht geben. Der Magistrat könnte sich bei seiner Beschlussfassung zwar über die rechtlichen Bedenken des Rechtsamtes hinwegsetzen, aber auch hier ist in der HGO gesetzlich vorgeschrieben, dass der Oberbürgermeister einem rechtwidrigen Beschluss widersprechen müsste (§ 74 HGO); gleichermaßen müsste er gegen einen rechtswidrigen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vorgehen (§ 63 HGO). Es bleibt interessierten Kreisen natürlich unbenommen, sich selbst sachkundig zu machen. Wenn Initiatoren oder einzelne Akteure z.B. Rechtsgutachten in Auftrag geben und vorlegen, müssen diese vom Rechtsamt ebenfalls kritisch geprüft werden, da gerade diese Gutachten eher nicht neutral, sondern interessensgelenkt erstellt werden. Auch wird man fachlich keinen Rechtsanwalt finden, der eine größere Erfahrung und Expertise in Fragen der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) aufweist als die Mitarbeiter des Rechtsamtes, weil dies nicht das tägliche Geschäft von Anwälten ist. Darüber hinaus sind die Mitarbeiter im Rechtsamt fachlich über alle Zweifel erhaben. In den Jahren 2013 bis 2017 hat das Rechtsamt insgesamt ca. 8.000 gerichtliche Verfahren ohne anwaltliche Beteiligung abgeschlossen wobei man nur in geringem Umfang (7 %) unterlegen war.
Im Übrigen würde sich auch die Fach- und Rechtsaufsicht des Landes einschalten, wenn sie Kenntnis oder Anhaltspunkte dafür hätte, dass die Verwaltung nicht rechtskonform handeln bzw. rechtswidrige Beschlüsse fassen würde. Es steht zudem jedem Bürger frei, gegen Entscheidungen der Verwaltung Rechtsmittel einzulegen.
Letztlich zeigt die Frage eine deutliche Distanz und Skepsis gegenüber den fachlichen Fähigkeiten und dem politisch neutralen Verhalten der Mitarbeiter in der Verwaltung. Das weist der Magistrat deutlich zurück.